VN-Waffenkonvention CCW und die Kontrolle autonomer Waffensysteme: eine Sackgasse?

Die Campaign to Stop Killer Robots während der Jahreskonferenz der VN-Waffenkonvention CCW im November 2018 Bild: © Campaign to Stop Killer Robots

Wie kann Rüstungskontrolle in Zukunft gelingen, wenn der Multilateralismus in der Krise steckt? Die Gespräche der 88 teilnehmenden Staaten der Jahreskonferenz der VN-Waffenkonvention CCW (Convention on Certain Conventional Weapons) spiegelte vergangene Woche den brüchigen Zustand des internationalen Staatensystems wieder. Das Einstimmigkeitsprinzip für Entscheidungen innerhalb der VN-Waffenkonvention CCW ist zur Sackgasse geworden. Eine Handvoll Staaten, allesamt unter jenen 15 Ländern mit den höchsten Militärausgaben[1], untergraben jeglichen Fortschritt im Bereich der Rüstungskontrolle. Dies gilt nicht nur für autonome Waffensysteme, sondern auch für andere Waffengattungen (z.B. Brandwaffen), welche Gegenstand der diesjährigen Jahreskonferenz waren. Die Zeit scheint reif, über andere For(m)en der Rüstungskontrolle nachzudenken.

Obwohl die inhaltlichen Diskussionen der Staaten zu autonomen Waffensystemen in diesem Jahr fundierter und ergebnisorientierter als in bisherigen Jahren waren, spiegelt sich dies nicht in dem finalen Abschlussbericht bzw. dem Mandat für das kommende Jahr wieder. Im Gegenteil, Russland schaffte es sogar mit seiner Blockadehaltung die Anzahl der Gesprächstage von bisher zehn auf sieben Tage, aufgrund „differences that still exist“, zu reduzieren. Ein Vorschlag der sonst nur von China unterstützt wurde, bei den restlichen Delegationen jedoch erheblichen Widerstand hervorrief. Brasilien stellte zutreffend fest, wenn „time is not ripe […] we need more discussions, not less”. Die deutsche Delegation verdeutlichte ebenso, dass zehn Tage ein absolutes Minimum darstellen und das grundsätzlich sogar mehr Zeit wünschenswert wäre. Die internationale Kampagne Stop Killer Robots wiederholte die Forderung von einem Minimum von vier Wochen Gesprächszeit. Mit den nun beschlossenen sieben Tagen hat die CCW-Konvention ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt, das geeignete Forum für die Kontrolle autonomer Waffensysteme zu konstituieren.[2]

Die große Mehrheit der anwesenden Staaten äußerten den Wunsch im kommenden Jahr konkreter und ergebnisfokussierter zu arbeiten. Darunter befanden sich auch Marokko und El Salvador, welche sich erstmalig für ein Verbot autonomer Waffensysteme aussprachen. Die Liste der Befürworter eines umfassenden Verbotsvertrages besteht somit nun aus 28 Staaten. Die Gruppe der blockfreien Staaten wiederholten zudem ihre Forderung nach einem rechtlich verbindlichen Instrument, welches Verbote und Bestimmungen umfassen müsse. Deutschland und Frankreich warben für ihren Vorschlag einer politischen Deklaration.[2]

Obwohl im Allgemeinen Einigkeit darüber besteht, dass autonome Waffensysteme auf keinen Fall gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen dürfen, lehnen die USA, Frankreich, Russland und Australien Diskussionen für ein rechtlich verbindliches Instrument ab, mit welchem genau dies sichergestellt werden könnte. Australien, Italien und Israel befürworteten zudem eine stärkere Diskussion bezüglich der Vorteile autonomer Technologien.2 Auf einer Parallelveranstaltung der internationalen Kampagne Stop Killer Robots wurde auch Frankreichs widersprüchliche Position thematisiert.[3] In einem Interview aus diesem Jahr befand der französische Präsident Emmanuel Macron autonome Waffensysteme immerhin noch als ‚völlig daneben‘.[4]

Auch die deutsche Position gilt als widersprüchlich. Im Bereich autonomer Waffensysteme gibt sich Deutschland als moralischer Vorreiter, blockiert aber tatsächlich selbst den Verbotsprozess. In den Koalitionsverträgen der Bundesregierung von 2013 und 2018 ist eine Ächtung von autonomen Waffensystemen seit Jahren vorgesehen, doch bis heute hat sich Deutschland international nicht für ein solches Verbot ausgesprochen. Gelegenheiten hierfür gab es genug.

Die deutsche Delegation wird bei den Gesprächen im Rahmen der VN-Waffenkonvention CCW in Genf nicht müde, die Risiken und Gefahren autonomer Waffensysteme zu betonen. Auch Außenminister Heiko Maas griff im September bei der 73. Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York das Thema auf: “I ask that you please support, both here in New York and in Geneva, our initiative to ban fully autonomous weapons – before it is too late!” Die ‘Initiative’ Deutschlands ist jedoch lediglich eine unverbindliche, politische Willenserklärung und ein Verhaltenskodex. Kaum geeignet, um den Risiken, vor denen die deutschen Delegationen häufig warnen, ansatzweise zu begegnen. Ein Verbot autonomer Waffen propagiert Deutschland nicht.

Es ist nicht das erste Mal, dass das Einstimmigkeit erfordernde Konsensprinzip Prozesse und Entscheidungen innerhalb der VN-Waffenkonvention CCW lähmt. Die völkerrechtlichen Verbotsverträge zu Antipersonenminen und Streumunition scheiterten in der Vergangenheit zunächst ebenso an blockierenden Staaten innerhalb der VN-Waffenkonvention CCW. Erst die Partnerschaft zwischen Zivilgesellschaft und gleichgesinnten Staaten ermöglichte ein Ausbrechen aus festgefahrenen Strukturen und die Durchsetzung zweier völkerrechtlicher Verträge. Beide Verträge wurden von über hundert Staaten ratifiziert und bilden wichtige Meilensteine in der humanitären Rüstungskontrolle. Es liegt nun an den Staaten der VN-Waffenkonvention CCW zu entscheiden, ob sie dieses Mal selbst erfolgreich Geschichte schreiben wollen oder ein weiteres Mal enttäuschen werden und dabei wichtige Glaubwürdigkeit einbüßen.



[1] Stockholm International Peace Research Institute (2018): “Military expenditure: Military spending graphics 2017: The share of world military expenditure of the 15 states with the highest spending.” Stockholm. URL [Zugriff: 28.11.2018]: https://www.sipri.org/research/armament-and-disarmament/arms-transfers-and-military-spending/military-expenditure

[2] Geyer, Katrin (2018): „Editorial: Misuse of consensus strikes again.” CCW Report 6 (12). New York / Genf. URL [Zugriff: 28.11.2018]: http://reachingcriticalwill.org/images/documents/Disarmament-fora/ccw/2018/hcp-meeting/CCWR6.12.pdf

[3] Campaign to Stop Killer Robots (2018): Videoaufnahme des Side Events am 21.11.2018 im Rahmen der Jahreskonferenz der VN-Waffenkonvention CCW. Anne-Sophie Simpere berichtet ab 11:10 Minuten zur Position Frankreichs in Bezug auf autonome Waffensysteme. Genf. URL [Zugriff: 28.11.2018]: https://www.facebook.com/stopkillerrobots/videos/196978157902195/

[4] Thompson, Nicholas (2018): „Emmanuel Macron Talks To Wired About France’s AI Strategy.” Wired. URL [Zugriff: 28.11.2018]: https://www.wired.com/story/emmanuel-macron-talks-to-wired-about-frances-ai-strategy/

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