Multilaterale Gespräche zu Killer Robotern sollen auch nach wie vor ergebnislos bleiben

Vom 20. bis 22. August 2019 gingen die Gespräche der Regierungsexpert*innen im Rahmen der VN-Waffenkonvention CCW (Convention on Certain Conventional Weapons) zum Thema letale autonome Waffensysteme in die zweite Runde dieses Jahres. Hierbei wurde ein Report verabschiedet, der als Grundlage für die Gespräche während des alljährlichen Treffens der Mitgliedsstaaten der CCW im November dienen soll, wo die nächsten Schritte der internationalen Staatengemeinschaft mit Blick auf autonome Waffensysteme beschlossen werden.[1]

Viele der Fragen, die die voranschreitende Entwicklung autonomer Waffensysteme aufwirft, werden in dem Report lediglich oberflächlich betrachtet. Andere, ebenfalls wesentliche Aspekte, beispielsweise die Gefahr geschlechterspezifischer und rassistischer Verzerrungseffekte und Diskriminierung durch Algorithmen, die autonomen Waffensystemen zugrunde liegen, werden überhaupt nicht erwähnt. Während die russische Delegation dies als „konstruktive Unklarheiten“ darstellt, zeugen die vagen Formulierungen des Reports für andere Staaten sowie für die internationale Campaign to Stop Killer Robots von dem Unvermögen der CCW, glaubwürdige Optionen für zukünftige Maßnahmen aufzuzeigen.[2]

Wesentlich hierfür ist, dass Entscheidungen innerhalb der CCW nach dem Konsensprinzip getroffen werden müssen. Dies erlaubt jedem Staat per Veto über den finalen Wortlaut im Abschlussbericht zu verfügen, was eine ambitionierte Einigung erschwert und in der Regel zu schwachen Ergebnissen führt. So konnten die USA erfolgreich verhindern, dass der Report auf das Konzept der menschlichen Kontrolle über Gewaltanwendung Bezug nimmt – ein Anliegen von zentraler Bedeutung, das von einem Großteil der teilnehmenden Staaten sowie von Vertreter*innen der Zivilgesellschaft seit Jahren hervorgebracht wird. Auch die russische Delegation wirkte dank Konsensprinzip großen Einfluss auf die teilnehmenden Staaten aus, indem sie jede Gelegenheit nutzte, die Wortwahl des Ergebnisdokuments abzuschwächen. Folglich konnten sich die CCW Staaten nicht auf zwei entscheidende Punkte bezüglich der zukünftigen Arbeit der Gruppe einigen: Zum einen bleibt bis zum nächsten Treffen der Mitgliedsstaaten im November offen, über wie viele Konferenztage hinweg die Gespräche innerhalb der kommenden zwei Jahre fortgeführt werden sollen. Zum anderen bleibt weiterhin unklar, welches Resultat die laufenden Gespräche nach sich ziehen sollen. Denn obwohl sich die internationale Staatengemeinschaft im Rahmen der CCW schon seit sechs Jahren zum Thema autonome Waffensysteme berät, wurde nach wie vor kein Verhandlungsmandat verabschiedet, auf dessen Grundlage eine international verbindliche Vereinbarung zum Verbot und/oder der Regulierung dieser völkerrechtswidrigen[3] Waffensysteme getroffen werden kann.

Militärmächten kommt die Unfähigkeit zu schnellem und bedeutsamem Handeln der CCW gerade recht. Während sie einerseits den Fortschritt der multilateralen Gespräche in Genf blockieren, treiben sie zeitgleich die Entwicklung autonomer Waffensysteme voran.[4] Dabei gewinnt die Forderung nach einer raschen Verabschiedung eines expliziten Verbots autonomer Waffensysteme ständig an Zuspruch. Für bereits 29 Staaten sind die moralischen, ethischen, rechtlichen, operativen, technischen und sicherheitspolitischen Bedenken von so großer Relevanz, dass sie auf eine weltweite Ächtung autonomer Waffensysteme drängen.[5] Deutschland gehört nicht zu diesen Staaten.

Das vorherrschende Problem in den Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft ist also nicht, dass der politische Wille zur Ächtung autonomer Waffensysteme gänzlich abwesend ist. Vielmehr bietet der Gesprächsrahmen der CCW eine Möglichkeit für diejenigen Staaten, die autonome Waffensysteme bereits entwickeln, das in Aussicht stehende Verbot dieser Killer Roboter zu sabotieren.

Auch die Rolle Deutschlands im Rahmen der CCW Gespräche ist mit Blick auf das nationale Selbstverständnis deutscher Außen- und Sicherheitspolitik geradezu enttäuschend. Während die Bundesregierung sich in ihrem Koalitionsvertrag für die Ächtung vollautonomer Waffensysteme ausspricht[6] und Außenminister Heiko Maas Deutschlands Engagement für eine internationale Verpflichtung zur wirksamen menschlichen Kontrolle über autonome Waffensysteme ankündigte,[7] übernahmen die Diplomat*innen in Genf diese Position nicht. Erstmalig betonten deutsche Regierungsvertreter*innen sogar den vermeintlichen Nutzen autonomer Waffensysteme für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts. Humanitäre Bedenken scheinen damit auch in der deutschen Delegation wirtschaftlichen Interessen zu unterliegen.[8]

Doch die Bundesregierung steht zunehmend unter Druck. Einerseits lehnen 72 Prozent der deutschen Bevölkerung Killer Roboter ab,[9] andererseits steigt die Unterstützung eines Verbots dieser Waffensysteme unter Bundestagsabgeordneten. Die deutsche Kampagne Killer Roboter Stoppen, die von der NGO Facing Finance koordiniert wird, nahm im Vorfeld der CCW Sitzung Kontakt mit Abgeordneten auf, informierte über das Thema und warb um Unterstützung. Folglich begleitete Katja Keul, MdB (Bündnis 90/Die Grünen) die Gesprächen der CCW, tauschte sich mit der deutschen Delegation aus, und sprach sich schließlich für den Einsatz der deutschen Regierung für eine völkerrechtlich verbindliche Regelung aus.[10]

Inwiefern sich die deutsche Position während der kommenden zwei Jahre im Rahmen der CCW ändern wird, bleibt abzuwarten. Der zweijährige von den Regierungsexpert*innen vorgeschlagene Zeitraum zur Konsolidierung der Staateninteressen könnte die Weichen für die USA, Russland und andere Staaten stellen, um ein Verbot autonomer Waffensysteme weiter hinauszuzögern. Demnach wird es immer wahrscheinlicher, dass Regierungen mit einem ernsthaften Interesse am Verbot dieser Waffensysteme die Verhandlungen in einem anderen Rahmen aufnehmen werden. Dies stellt keine Neuheit in der humanitären Abrüstung dar, sondern hat bereits in der Vergangenheit zu einem Verbot von Anti-Personenminen sowie Streumunition geführt. Falls die Bundesregierung den Worten von Außenminister Heiko Maas Taten folgen lassen will, sollte sie sich dringend dazu entschließen, ihren bisherigen Kurs zu wechseln und – im multilateralen Rahmen der CCW oder auch in anderen Foren – für ein Verbot autonomer Waffensysteme eintreten, anstatt im Schulterschluss mit Militärmächten die laufenden Bemühungen zu untergraben. Denn um die Entwicklung und den Einsatz von Waffensystemen, die ohne menschliche Kontrolle Ziele auswählen und angreifen können, zu verhindern, muss dringend und entschieden gehandelt werden.

Johanna Trittenbach

 

[1] Group of Governmental Experts of the High Contracting Parties to the Convention on Prohibitions or Restrictions on the Use of Certain Conventional Weapons Which May Be Deemed to Be Excessively Injurious or to Have Indiscriminate Effects (2019): „Draft Report of the 2019 session of the Group of Governmental Experts on Emerging Technologies in the Area of Lethal Autonomous Weapons Systems”. Genf. URL [Zugriff: 26.08.2019]: http://reachingcriticalwill.org/images/documents/Disarmament-fora/ccw/2019/gge/Documents/final-draft-report_21Aug-v3.pdf.

[2] Campaign to Stop Killer Robots, Tweet am 22.08.2019. URL [Zugriff: 26.08.2019]: https://twitter.com/BanKillerRobots/status/1164343444665491456.

[3] Killer Roboter Stoppen (2019): „Das Problem“. Berlin. URL [Zugriff: 26.08.2019]: http://www.killer-roboter-stoppen.de/hintergrund/.

[4] PAX (2019): „The State of AI: Artificial Intelligence, the Military, and Increasingly Autonomous Weapons“. Utrecht. URL [Zugriff: 26.08.2019]: https://www.paxforpeace.nl/publications/all-publications/the-state-of-ai.

[5] Campaign to Stop Killer Robots (2019): „Country Views on Killer Robots“. URL [Zugriff: 26.08.2019]: https://www.stopkillerrobots.org/wp-content/uploads/2019/08/KRC_CountryViews21Aug2019.pdf.

[6] Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, 19. Legislaturperiode (2018): „Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD“. Berlin. URL [Zugriff: 26.08.2019]: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1, Z. 7027-7028.

[7] Bundesaußenminister Heiko Maas (2019): „Rede beim Festakt des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) am 21. Mai 2019 in Hamburg“. Hamburg. URL [Zugriff: 26.08.2019]: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975954/1631100/ca277ec27fb379f930a1e0feb429d09a/68-2-bmaa-institut-data.pdf?download=1.

[8] Killer Roboter Stoppen (2019): „Pressemitteilung: Wer Killerroboter nicht verbieten will, wird scheitern“. Berlin/Genf. URL [Zugriff: 26.08.2019]: http://www.killer-roboter-stoppen.de/2019/08/pressemitteilung-wer-killerroboter-nicht-verbieten-will-wird-scheitern/.

[9] Killer Roboter Stoppen (2019): „Internationale Umfrage zeigt: Große Mehrheit (61 Prozent) lehnt Killerroboter weltweit ab“. Berlin. URL [Zugriff: 26.08.2019]: http://www.killer-roboter-stoppen.de/2019/01/internationale-umfrage-zeigt-grosse-mehrheit-61-prozent-lehnt-killerroboter-weltweit-ab/.

[10] Killer Roboter Stoppen, Tweet am 21.08.2019. URL [Zugriff: 26.08.2019]: https://twitter.com/KillerRoboterSt/status/1164202534149525506.

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